Liebes Saarland und Rest vonne Welt,

zwei Wochen sind es jetzt schon her, dass mir ganze vier Tage Auszeit vom Mutterdasein gegönnt waren. Es war großartig! Drei komplette Nächte in einem Hotel, ganz allein, nur ich. Kein Gekneife in den Unterarm, keine Finger in Ohr, Auge, Nase. Keine Knie und Ellbogen im Rücken. Nur ich, mit mir, ganz alleine, in einem Hotelzimmer. Die Vorfreude war schier unendlich, wenn auch mit dezentem schlechten Gewissen. Denn entwicklungstechnisch befinden wir uns gerade in einer maximalen Mamaphase und es fiel mir etwas schwer, mir auszumalen, wie das Kind 4 Tage bzw. 3 Nächte ohne Mama auskommen soll, wenn es mir schon seit längerem nicht mal mehr vergönnt ist, alleine aufs Klo zu gehen oder eine Waschmaschine im Keller anzustellen, ohne mindestens 18 mal durch den Wäscheschacht zu hören „Mama, bist du noch da? Gehst du nicht weg? Wann kommst du zu mir?“

Unterm Strich war mir natürlich schon klar, dass das Kind keinen seelischen Schaden davon tragen wird, ob gleiches allerdings für Papa auch gelten würde, war ich mir zwischenzeitlich nicht so ganz sicher.

Aber was soll ich sagen: natürlich waren Sorgen gänzlich unbegründet. Es klappte wunderbar und die Idee, einen kleinen „Adventskalender“ mit vier Pixibüchern zu bestücken, damit „vier mal schlafen bis Mama wieder da ist“ eine etwas plastischere Dimension bekam war, wohl auch ganz gelungen.

Ich brach Mittwochs schon recht früh auf, denn die Reise sollte ursprünglich mit der Bahn nach Dortmund gehen. War es ein Omen, ich weiß es nicht, aber die Fahrt fing damit an, dass der Schaffner mein Ticket sehen wollte, ich das Teil auf dem Handy hatte und ihm geantwortet habe, dass er es sehr gerne sofort sehen könnte, wenn die Technik mich jetzt nicht verlässt. Nach ein wenig Geplaudere wünschte er mir eine gute Reise und beendete das Gespräch mit den Worten „wenn Sie die deutsche Bahn nicht verlässt.“

Öhm ja, Vertrauen ins eigene Unternehmen sieht anders aus.

Er sollte recht behalten. Es kam nämlich, wie es kommen sollte. Ich musste in Mainz umsteigen. An sich hatte ich dafür 20 Minuten Zeit. In diesen 20 Minuten änderte sich die Anzeige von „ICE fällt aus“ zu „25 Minuten Verspätung“ zu „Schienenersatzverkehr“ zu „45 Minuten Verspätung“ und wieder zurück. Kurzum: ich hatte keine Ahnung, wie die weitere Fahrt aussehen sollte, wartete geduldig ab und vertrieb mir die Zeit mit Instagram Stories.

Die wiederum hat zufälligerweise kurz vor eigener Abfahrt noch meine liebe Kollegin Nadine Weiner von stampinclub.de geschaut und schrieb mir spontan „soll ich dich abholen und mitnehmen?“ Echt jetzt? Wie toll ist das denn bitte?! „Jaaa, Jaaaaaaaaaaa!“

Gesagt getan. Keine halbe Stunde später sass ich im warmen Auto und wir düsten über die Autobahn. Habe ich erwähnt, dass das nur einer der Gründe ist, warum ich seit fast 8 Jahren freiwillig mit einem Unternehmen arbeite, dessen Berater zu 99,9% dem X-Chromosom zuzuordnen sind? Hätte man mir das vor 40 Jahren gesagt, als ich allein unter Jungs auf dem Spielplatz aufgewachsen bin oder aber vor 15 Jahren, als ich mir mein Geld fürs Studium in einem eher männerlastigen Paketunternehmen verdient habe, hätte ich alleine bei der Vorstellung nervöses Augenzucken bekommen. Aber ja, es gibt tatsächlich Frauen, die sich gegenseitig helfen und nicht nur welche, die sich den Dreck unter den Fingernägeln nicht gönnen.

Keine drei Stunden standen wir vorm Hotel, dessen Tiefgaragenschild uns rot anleuchtete: „besetzt“. Na prima. Erkenntnis des Tages: an der Dormunder Messe ist parken eher Glücksache. Denn die Messeparkplätze sind außerhalb von Messen schön mit Absperrband und Schranken versperrt und drum herum gibt’s viel von nix. Zumindest was Parkplätze betrifft. Nennen wir es Glück, dass nicht auch noch zeitgleich ein Fußballsspiel war, und wir wenigstens am Stadion fündig wurden.

Nadine Teiner Nadine Weiner

Die Zeit wurde allmählich fast schon knapp, also ab ins Hotel, kurz duschen, aufbrezeln und schon konnte es losgehen zur Centre Stage Veranstaltung. Dieses Dinner für Führungskräfte findet immer am Vorabend statt und ist für alle Demonstratoren mit dem Titel Silber Elite aufwärts. Die Titel bei Stampin‘ Up! fangen mit Bronze an, gehen dann über Bronze Elite zu Silber, Silber Elite, Gold, Gold Elite, Bronze und Bronze Elite hoch und berechnen sich aus einer Kombination aus Anzahl der Teammitglieder und Jahresumsatz. Ab Elite Silber gilt man als Führungskraft und ich bin ziemlich glücklich, dass ich diesen Meilenstein schon vor einer ganzen Weile geschafft habe und bisher auch immer halten konnte.

Kaum in Dortmund angekommen, musste mich Nadine gleich schon wieder retten. Ganz in schwarz und halbwegs chic gekleidet, stellte ich fest, dass ich meine schwarzen Schuhe vergessen hatte und nichts außer mintfarbener Sneakers dabei hatte. Kann man machen, muss man aber nicht.

Der liebe Gott wird sich schon was dabei gedacht haben, als er Nadine Teiner und Nadine Weiner die gleiche Schuhgröße verpasst hat. Habe ich erwähnt, dass es Gründe wie dieser sind, dass ich dankbar für meinen Job und das damit einhergehende Netzwerk bin? Und so beschritt ich die Abendveranstaltung in Nadines schwarzes Schuhen.

Der Abend war kurzweilig, mit einer sehr schönen Runde an unserem Tisch und sehr angenehmen Gesprächen. Ich war tatsächlich recht froh, dass das Programm diesmal keine Schulung vorsah, wie es die vorherigen Male war, sondern man sich einfach nur in Ruhe mit den Leuten austauschen konnte, die man sonst so selten sieht. Stattgefunden hat das Ganze im deutschen Fußballmuseum. Ja, ihr lest richtig. Ein Dinner für 250 Frauen im deutschen Fußballmuseum. Es kam durchaus zu latent verwirrten Blicken von einer anderen anwesenden Männertruppe. So interessant das Museum sonst wohl auch ist, 250 Stempelfrauen, die auf einen neuen Katalog warten, sind vielleicht nicht ganz das richtige Klientel für die Ansage „schaut euch gerne in Ruhe das Museum an und wir treffen uns dann in einer guten Stunde unten zum Dinner“.

Sagen wir mal so, das Cateringpersonal hat etwas panisch geschaut, als die ersten Damen bereits 45 Minuten vor ausgemachter Zeit dezent die Tische anpeilten und damit das Teammeeting unterbrachen…. nun ja. Hätte man vielleicht drauf kommen können, dass der Plan nur so semigut klappt, denn so attraktiv sind Calli und Hoeneß nun wahrlich nicht, dass sie die Aussicht auf einen neuen Saisonkatalog toppen würden. Ich für meinen Teil schwelgte nochmal kurz in 2014er Schweinsteiger Erinnerungen, aber damit war mein Fussballerischer Kenntnisstand auch schon ausgeschöpft.

Zum weiteren Verlauf des Abends gibt’s gar nicht so viel zusagen. Das Essen war lecker, die Gesellschaft toll, die Gespräche kurzweilig, der neue Frühjahrskatalog traumhaft und das Anschließende Versumpfen in der Hotelbar zu lang.

In den kommenden zwei Tagen wurden wir beglückt mit einer Vielzahl von sehr tollen Präsentationen. Das Programm war eine bunte Mischung aus Vorträgen von Stampin‘ Up! Mitarbeitern, der aktuellen und der ehemaligen CEO Muttertochter-Kombo Sara und Shelli und vielen motivierten und engagierten Demonstratoren, die sich mit ihren Projekten und Tipps und Tricks zur Geschäftsentwicklung auf die Bühne trauten.

Ich fand es großartig. Bei den letzten Veranstaltungen war ich zugegebenermaßen etwas weniger enthusiastisch unterwegs, denn egal wie gern man einen Job macht, nach 7 Jahren kommt immer irgendwann mal der Punkt, an dem man das Gefühl hat „kenn ich schon“, „hab ich schon gesehen“ und dann ein wenig durchhängt. Wenn dann auch noch chronischer Schlafmangel sich dazugesellt, wirkt sich das selten förderlich aus. Diesmal allerdings muss ich sagen, dass ich es rundum toll fand. Vielleicht hab ich mein kleines Siebenjahrestief auch überwunden, denn ich habe sogar mal wieder geswappt, also handgefertigte Bastelprojekte mit Kolleginnen ausgetauscht. Und prompt vergessen, den Namen drauf zu schreiben. Anfängerfehler. Kann ja mal passieren, so im 8. Jahr!

Ich kritzelte also in Windeseile noch schnell per Hand meinen Namen auf die Teilchen und los ging’s. Wenn du also mit mir getauscht hast und zu Hause eine einzige Schmiererei auf der Hinterseite eines Swaps vorgefunden hast: das war dann wohl ich. Sorry.

Immerhin konnte ich mich an dem Tag auch mal bei Nadine erkenntlich zeigen und ihr mit einer Wasserflasche aushelfen, die wiederum sie vergessen hatte. Läuft bei der Teiner-Weiner Kombination, würde ich mal sagen. Und weil Nadine gefühlt eine Sammelbezeichnung aller Mädchen zwischen 1978 und 1985 war, gesellte sich dann auch noch Nadine Langenscheidt zu uns, nachdem sie ihre Präsentation auf der Hauptbühne hinter sich gebracht hatte. Ganz im Sinne der Inklusion haben wir aber drauf verzichtet, die ebenso dazugesellte Andrea vor Ort spontan umzutaufen.

Die Tage und Abende waren viel zu schnell um und schon war Samstag 16:30 Uhr und ich musste leider vor Ablauf der letzten Präsentation schon aufbrechen, um rechtzeitig in der Bahn zu sitzen und die Heimreise anzutreten. Irgendwann ist halt auch Mamas Auszeit abgelaufen.

Oh man war das ein Ritt. Zusammen mit einer netten Kollegin aus Ulm, der Namen leider meiner Demenz zum Opfer gefallen ist, habe ich versucht, erst von Dortmund nach Köln zu kommen, dann von Köln nach Mannheim und dort sollten sich unsere Wege trennen. Nunja. Bis Köln sind wir gekommen. Unsere Umstiegszeit betrug ursprünglich mal 10 Minuten. Daraus wurden acht, dann sechs, dann zwei. Knapp, aber machbar. Wäre das Transportmittel der Wahl nicht die Deutsche Bahn. Als wir nämlich bei Minute zwei angekommen waren, blieb der Zug unmittelbar vorm Bahnhof stehen. In Sichtweise des einfahrenden Anschlusszuges. Es knackste der Lautsprecher und folgte die Ansage „Liebe Fahrgäste, die Einfahrt in den Bahnhof verzögert sich. Der ICE 207 nach Mannheim wird nicht warten.“ Sänk iu for träwweling wis Deutsche Bahn.

Danke fürs Gespräch. In Anbetracht der Tatsache, dass in unserem 1. Klasse Wagen zudem alle Türen defekt waren und wir einmal durch den kompletten, natürlich vollbelegten Wagen laufen mussten, um zur nächsten funktionierenden Tür zu kommen, hätten 2 Minuten für dem Umstieg vermutlich eh nicht gereicht, aber dennoch! Meine Freude war unbändig.

Man muss dazu sagen, dass ich erst ein Ticket für den IC hatte und dann extra am Vormittag noch gegen einen Mordsaufpreis auf den ICE umgebucht habe, weil der IC morgens schon mit „Schienenersatzverkehr“ angekündigt war und ich mit dem ICE kurz vor 22 Uhr statt um Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Was hab ich mich gefreut, als ich den ICE an mir vorbeifahren sah. Aus dem Abteil, stehend mit Koffer, Rücksack und Tasche, wartend vorm Bahnhof, vor einer sich nicht zu öffnenden Tür. Der IC fuhr im übrigen auch nicht. Dafür der Schienenersatzverkehr mit 30 Minuten Verspätung, womit sich auch für diese Alternative alle Anschlüsse erübrigt hatten. Spätestens als der kölsche, latent schwule Schaffner uns zu sich nach Hause zu ’nem Kölsch mit Rheinblick eingeladen hat, einigten wir uns doch recht zügig drauf, dass es wohl besser wäre, eine Stunde zu warten und dann mit einem gänzlich anderen ICE weiterzufahren. Der sei wenigstens pünktlich.

Ja, war er. Zudem war er nur halb so lang wie geplant. „Verehrte Fahrgäste, leider fehlen uns heute Wagen 31 und Wagen 32. Deswegen kommt es zu vermehrten Platzproblemen“ – ACH!

Aber sowohl meine ulmer Kollegin als auch ich wurden fündig, allerdings nicht zusammen, so dass sich unsere Wege dort trennten. Ich hatte es mir gerade halbwegs bequem gemacht, der Zug rollte los, stand eine Dame mittleren Alters vor mir und raunzte mich an:

„Sie sitzen auf meinem Platz“.

Ich komme aus einer Bahnfahrerfamilie. Genaugenommen bin ich in dritter Generation die einzige, die nicht bei der Bahn arbeitet. Ich traue mir also zu, ablesen zu können, ob ich auf einem reservierten Platz sitze oder nicht. Der Platz war zwar reserviert, aber erst ab Mannheim. Wir waren in Köln. Zudem wäre Mannheim eh mein Ausstieg.

Ich bemühte mich also um Freundlichkeit und antwortete:

„Ich glaube nicht. Dieser Platz ist erst ab Mannheim reserviert, sind Sie sicher, dass Sie richtig sind?“
„Sie sitzen auf meinem Platz!“
„Dieser Platz ist aktuell gar nicht reserviert. Erst ab Mannheim, es liegt bestimmt eine Verwechslung vor, sind Sie sicher, dass Sie im richtigen Abteil sind?.“

Die Dame fuchtelt mit dem Ticket vor meiner Nase rum.
„Da schauen Sie!“

„Gute Frau, falscher Wagen , falscher Platz. Hier ist Wagen 5, Platz 53, bei Ihnen steht Wagen 3, Platz 43.“

„Nein, nein! Da steht es!“

Sie wedelte hektischer.
Ich greife nach dem Papier, lese Wagen 5, Platz 58, Datum in einer Woche. Aber wie hat man im Kreißsaal so schön gelernt: atme den Schmerz weg….

Fffffffffffffffffffffffffffffffffff.

„Das ist Ihr Rückfahrticket, für in 8 Tagen.“

Sie schnappte nach Luft und rauschte wortlos ab.

Ich bin dann noch heil in Mannheim angekommen, habe zwar bei meinem 3 minütigen Umstieg mit Koffer, Fotorucksack und Tasche mit Swaps und Geschenken meine Lunge irgendwo zwischen Gleis 6 und Gleis 2 ausgekotzt, aber ich hab die S-Bahn erreicht.

Wie es dann weiterging, tippe ich euch die Tage. Ich war nämlich immer noch nicht zu Hause. Oh nein.

Bye,
Nadine