Liebes Saarland und Rest vonne Welt,

Frau T. ist in letzter Zeit wieder wesentlich aktiver auf Instagram. Und nachdem die letzen Nächte im Hause T. erklärungsbedingt eher unentspannt waren, hatte ich sehr viel Zeit, um unter der Bettdecke das Netz leerzusurfen und bin unweigerlich auf unzählige Seiten gestoßen, die mir erzählten, wie ich diesen Instagram-Account bildtechnisch zu füttern habe. Ja, so etwas gibt es tatsächlich. Nennt sich „How to (ergänze Thema der Wahl)“ Guide und springt einen von allen Seiten an.

Hier wird einem minutiös aufgelistet, was man gefälligst alles umzusetzen hat, wenn man seine Reichweite vergrößern möchte. Dabei dreht sich natürlich alles um die Fotos. Also sowas z.B.:


Was habe ich also nun in den letzten Tagen gelernt? Nun, maßgeblich wie das perfekte Instagram Foto auszusehen hat. Nämlich hell muss es sein, hell aber nicht überbelichtet. Einen Filter muss es haben. Aber nicht nur irgendeinen Filter, nein, immer den selben. Möchte Frau erfolgreich sein, MUSS sie sich auf einen Filter festlegen. Denn die Timeline oder wie dat Teil bei Instagram heißt muss einen einheitlichen Style aufweisen, denn sonst hat dein Account bei deinen Followern keinen Wiedererkennungswert.

Keinesfalls darf ein Foto mal aus der Reihe tanzen, denn sonst wird das optische Konzept der Bilderwand im Kern zerstört.
Wenn das also nun heißt, dass du für den Rest deiner Tage dein Essen, deine Klamotten, dein Equipment nur noch von oben auf nem Stuhl stehend dokumentarisch festhalten kannst, ja, dann muss das wohl so sein! Man will ja erfolgreich sein, ne?!

Und am besten weiß: weiße Kerze vor weißer Wand auf weißem Tisch! Selbstredend fotografiert von vom Lüster hängend. Denn ohne Vogelperspektive geht nun wahrlich nichts. Auch nicht bei weißem Motiv auf weißem Grund!
Falls es aber doch mal so sein sollte, dass man keine Flügel hat oder der Lüster, an dem man hängen müsste, das Gewicht nicht trägt, muss die Hintergrundkulisse wenigstens aber ein stylisches Restaurant oder aber eine knallbunte Ziegelwand sein. Gerne auch verschneite Berge, Meeresweite oder Wolkenkratzerskylines. Sowas hat man ja stets vor der Haustür. Im Saarland. Kurz vor der elsässischen Ackerlandschaft. Aber man will ja erfolgreich sein, streng dich halt an. Denn zum Erfolg gehört nunmal, dass man viele Follower bekommt. Und die, wie wir gerade gelernt haben, bekommt man nur, wenn man die „how to improve/increase…“ Ratgeber der Schönen, der Reichen und der ganz schön Reichen befolgt. Wo kämen wir auch hin, wenn einfach jeder spontan und nach Lust und Laune posten würde.

Ach, und die Hashtags! Nicht zu vergessen die #hastags! Mindestens 40 davon, denn die Beiträge müssen ja auch im hinterletzten Mikronesischen Eiland gefunden werden können. Sonst, ja, sonst tut es mir leid, aber dann wirst du nicht erfolgreich sein und keiner deinen Account ankucken wollen.

Ja, jetzt ist aber auch mal gut.

Also wenn es irgendwann tatsächlich mal soweit kommen sollte, dass persönlicher Erfolg nur noch an virtueller Herzchenvergabe gemessen wird, dann nehmt bitte eure Technik, werft sie in die Tonne und lasst euch 6-8 Wochen auf ner Alm aussetzen. Dem Herzchenfenster-Plumpsklo ist auch egal, dass es nicht geliked wird.

Nee mal ehrlich. Das für mich schizophrenste an dieser ganzen Geschichte ist, dass gefühlt mindestens jeder zweite Account Bildchen teilt, mit weisen Sprüchen zur inneren Mitte und „finde dein Glück in dir selbst“- Aufrufen. Wie soll denn bitte  jemand sein Glück in sich finden, wenn ihm/ihr zeitgleich von allen Seiten suggeriert wird, dass dieses intuitive „in sich“ per se falsch falsch ist und man sich schon an feste Vorgaben halten musst, um nicht „abzulosen“.

Yeay ein Hoch auf den Einheitsbrei. So gern ich solche Plattformen auch nutze, zwischendrin frage ich mich allerdings wirklich, ob ich noch bei klarem Verstand bin, selbst Gefallen an dieser Einheitsmasse zu finden, die überwiegend so oberflächlich ist, wie das Eis eines fließenden Baches bei um die null Grad.

Und das ist es doch tatsächlich: eine oberflächliche Scheinwelt, der solche Aussagen zu Grunde liegen:

Da schreit doch glatt mein kleines Lateinerherz vor Schmerz!

Instagram! Insta – gram!! Von „instantia ae, f. – Gegenwart, Gegenwärtigung“ und „γράμμα, -τος, n. – Zeichen, Schrift“!! Also platt gesagt: Gegenwartszeichen. Und nicht etwa „Steh-um-fünf-in-der-früh-auf,-positionier-dich-im-67-Grad-Winkel-zur-Erdkrümmung-der-südlichen-Hemisphäre,-editiere-das-Bild-in-80-Programmen-und-lade-es-6-Stunden-später-bis-zur-Unkenntlichkeit-gephotoshoppt-mit-Buddenbrocksähnlicher-Bildbeschreibung-hoch“-Zeichen!

Nein! Schieß das Foto, lad es hoch. Punkt. Zumindest dem Namen nach ist (oder war mal) das der primäre Zweck dieser App, zu teilen, was man gerade vor der Linse hat! Und nicht diese auf Hochglanz gephotoshoppte und manipulierte Pseudofotokunst.

Ich spüre förmlich, wie gerade hunderte von Instagrammern hektische rote Flecken und Luftnot bekommen. Ja, ich kucke mir die tollen Bilder ja auch gerne an, aber man möge doch bitte niemandem unterschwellig einreden wollen, nur wahrnehmenswert und „erfolgreich“ sein zu können, wenn er ausschließlich das macht, was von selbsternannten Experten als Regelwerk vorgegeben wird.

Die Regeln in der Musikbranche sind ja üblicherweise auch: willst du erfolgreich sein, musst du singen können, und siehe da, es gibt sie trotzdem die Sportfreunde Stiller. Sprachmelodisch ja mehr so das Harakiri der Intonation, aber hey: erfolgreich.

Versteht mich nicht falsch, ich finde Fotografieren toll, Sportfreunde Stiller nicht ganz so, aber Fotografieren. Ich nehme mir auch gerne Zeit, für schöne und qualitativ hochwertige Fotos. Ich finde auch helle, freundliche Fotos einladender als dunkle oder schlecht belichtete, aber bitte, es stirbt nun wahrlich kein Einhorn wenn das Foto vom Steak einfach nur ein Foto von einem Steak ist. Und zwar von einem, das noch heiß und saftig verzehrt werden konnte und nicht noch weitere fünf Tode sterben musste bis auch die letzte Pore perfekt inszeniert, ausgerichtet und ausgeleuchtet war, um dann zwar auf dem Bild geil auszusehen, letztlich dann aber halt zu schmecken, wie so ne kalte, zähe Kuh eben schmeckt.

Solch Helmut Newton verdächtige Fleischinszenierungen mögen mitunter zwar ihre Daseinsberechtigung haben, aber doch bitte nicht im Restaurant wenn man Hunger hat. Da tut’s auch der verwackelte schnelle Schnappschuss.
Nee nee. Das ist nicht meine Welt. Da hab ich doch lieber ein buntes Wirrwarr an nicht zusammenpassender iPhonebildern, Schnappschüssen und Erinnerungen auf meiner Fotowand, aber was Gescheites im Magen.

Und in puncto Wiedererkennungswert (ihr erinnert euch?): da gibt es so was völlig verrücktes, das nennt sich Profilname. Ein Blick ins linke obere Eck der App und schwups kann sich auch der verirrteste Follower orientieren, bei wem er sich grad befindet. Ganz ohne einheitlichen Filter und Style. Verrückt!

Und wer mir jetzt trotzdem dort folgen möchte, der weiß wenigstens, worauf er sich einlässt. ?

Hier geht’s lang.

Bye
Nadine