Liebes Saarland und Rest vonne Welt,

kürzlich war es mal wieder soweit. Ich musste das Haus verlassen und ein Paket abholen. Diesmal nicht etwa bei der Post sondern beim Hauptzollamt.

Das klingt erst mal wichtig, man muss dazu aber vielleicht wissen, dass unser Hauptzollamt mehr so ein Zollämtchen ist. Genau genommen befindet es sich in einem normalen alten Wohnhaus, wie es sie im Saarland zu Hauf gibt. Erst mal 7 Stufen hoch, Eingangstür mit der Breite einer Abstellkammer, enger Flur und dann auch schon die Tür zum eigentlichen Raum. Hinter dieser Tür, welch Überraschung, unmittelbar ein ewig langer Tresen, so dass man sich auch ja nicht drehen kann.

Genau das richtige, wenn man wie ich zu Fuß mit schwedischem Riesenkinderwagen unterwegs ist.

Ich manövrierte also mich, das Kind und den Kinderwagen erst mal ins Haus rein, dann zwischen erwähnte Wand und Tresen, atmete die Beklemmung weg und trug mein Anliegen vor. Nun begab es sich aber, dass auf dem Schreiben, ich möge die Sendung bitte beim Zoll abholen und die passende Dokumentation mitbringen, nicht drauf stand, um welche Sendung es sich handelte. Es soll nämlich tatsächlich Menschen geben, die mehr als nur ein Teil im Ausland bestellen und dann schlichtweg nicht wissen, welches davon der Zoll rausgefischt hat und somit welche Dokumentation gebraucht wird.

Ich hatte also eine ziemliche Zettelwirtschaft dabei, nur nicht den, den ich benötigte. Kurzum, mein Aufenthalt im Zollamt war etwas längerer Natur.

Während zwei Zollbeamte sichtlich bemüht waren, mir entgegenzukommen und auf den falschen Zetteln vielleicht doch den passenden Wert zu finden, betrat ein älteres Ehepaar den Raum.

Man soll ja nicht vorschnell urteilen, aber beim ersten Blick auf die Dame schoss mir durch den Kopf „wenn die mal nicht gleich zicken wird.“ Der Blick, der Gesichtsausdruck…sagen wir mal so, freundliche Gelassenheit sieht anders aus.

Ich sollte ihr Unrecht tun.

Während ich also immer noch versuchte, mein 30€ Kettchen zu verzollen, hörte ich wie der Mann anfing, mit dem Zollbeamten zu argumentieren, die Sendung würde ich ja gar nicht in die EU eingeführt werden.

„Doch, sie wird gerade eben eingeführt. Dafür sind Sie ja hier,“ erklang es beschwichtigend.

„Nein, wird sie nicht. Er nimmt sie ja direkt wieder mit raus.“

„Ja, aber das wissen wir ja nicht, für uns wird sie gerade eingeführt und deswegen müssen wir sie auch verzollen“, der Erklärungsversuch des Zollbeamten.

„Man muss nichts verzollen, das nicht eingeführt wird!“
„Sie führen es ja aber ein.“
„Nein, er führt es ja wieder aus!“

Der Ton wurde rauer.

Während ich innerlich noch über die Terminologie des Einführens und Ausführens kicherte und mir ausmalte, dass der Rentner vielleicht etwas entspannter wäre, wenn er sich mal was einf… – nein, lassen wir das -, stellte sich heraus, dass der Sohn in Brasilien lebt, über Weihnachten die Eltern besucht, und sich etwas dorthin hat liefern lassen, weil Bestellungen in Brasilien nie ankommen, und gedenkt es nach Weihnachten direkt wieder mitzunehmen.

Soweit so gut.

Der Rentner sah nun aber mal so gar nicht ein, dass er das Päckchen verzollen soll, wenn es doch gar nicht eingeführt wird. Der Zollbeamte wiederum sah nun so gar nicht ein, dass das Paket nicht verzollt werden soll, denn es wird ja eingeführt. Denn auch eine kurze Einfuhr ist eine Einfuhr. Letztlich schaffte er es aber nicht, dem Rentner das begreifbar zu machen.

Sagen wir mal so, Anwärter auf Zollbeamter des Jahres wird auf unserem Amt vermutlich niemand je werden, aber zumindest war der Beamte sichtlich bemüht, die Ruhe zu bewahren, obwohl der Rentner inzwischen einen Ton an den Tag legte, der jeglicher Kinderstube entbehrte.

„Kriegt er das Geld denn nachher wieder, wenn Sie schon nicht wissen, was Sie tun?“ polterte der Rentner zum vierten Mal.

Dem Beamten schwoll jetzt doch die Halsschlagader und ein „NEIN“ entfuhr ihm wohl etwas harscher als geplant.

„Nun werden Sie mal nicht unverschämt! Ihren Namen jetzt aber flott“ dröhnte der Alte.

Die Frau hatte sich inzwischen verzogen.
Der Beamte versuchte, es ihr gleich zu tun und setzte sich hinter seinen Monitor und raunte ein „von mir kriegen Sie gar nüscht“. Eine Zollbeamtin übernahm.

„Der Kollege, wie heißt er?“ brüllte der Rentner 40 Zentimeter neben dem Kinderwagen.

Ich stand derweil eingepfercht zwischen zwei Wänden, dem Tresen und dem Kinderwagen und nahm den latent irritierten Nachwuchs mal lieber auf den Arm.

„Wenn Sie sich beschweren wollen, können Sie das über diese Nummer…“ versuchte die Beamtin zu beschwichtigen, aber der Rentner ließ sie nicht ausreden.

„Das Paket wird nicht eingeführt, verstehen Sie das nicht!! Wo bin ich denn hier?!!“ brüllte er in den Raum.

„Wir wissen nunmal nicht, was später mit dem Paket passiert, jetzt wird es eingeführt!“ entfuhr es dem Zollbeamten nochmal aus seiner Ecke.

Der Rentner sah rot.

„Nicht in dem Tonfall Freund, nicht in dem Tonfall!“ schrie er rum. „Ich bin hier Kunde!“
„Wir sind der Zoll und kein Geschäft“ erwiderte ein anderer Beamte ganz nüchtern und ruhig, „eigentlich sind Sie hier gar nichts, außer laut.“

Inzwischen schlug der Rentner mit der Faust auf dem Tresen rum.
„das Paket ist dem Sohn, der nimmt es wieder mit, keine Einfuhr!!“ wütete er rum.

„Also haben Sie es gar nicht bestellt sondern ihr Sohn?“ fragte die Beamtin irritiert.
Dem Rentner drohte die Halsschlagader an der Stirn zu reißen.
„Was willst du jetzt sagen? Darfst du es mir jetzt nicht geben?“ schrie er die Beamtin an.

„Eigentlich nicht, nein. Nicht ohne Vollmacht“

Der Rentner warf ihr die Vollmacht ins Gesicht und knallte abermals mit den Fäusten auf den Tresen.

Inzwischen hatte der erste Beamte wie auch immer knappe 15 € von ihm abkassiert und das Paket ausgehändigt.

„Ich WEISS, DASS ER DAS GELD wieder bekommt!“ wütete und tobte er trotzdem weiter.

„Na dann ist ja alles bestens und es gibt keinen Grund zum Aufregen“ rutschte es mir raus, ging aber im Trubel unter.

„Ah, sind Sie selbst vom Zoll?“ fragte die Beamtin mit einem gewissen Abstand zum Tresen.
„NEIN, ICH SCHAUE FERN!! Die Sendungen und so, da weiß man das!“ tobte der Rentner und knallte wieder mit Fäusten auf den Tresen.

Da war es aus. Der Zollbeamtin entfuhr ein Lachen.

„Und in der Apotheken Umschau stand‘s auch!“ entfuhr es mir. Nicht der cleverste Schachzug mit Kind auf dem Arm, Wand im Rücken, Wand zur Seite und Tresen zur anderen. Er drehte sich mit erhobener Faust zu mir um, ich immer noch Kind auf dem einen Arm, Handy in der anderen Hand.

„Wagen sie es und ich ruf die Polizei“ zischte ich ihm zu.

Er boxte in den Tresen.

Irgendwer stieß hervor, es sei ein Kind anwesend, er solle mal darüber nachdenken, aber da war er bereits wutentbrannt rausgestürmt.

Da standen wir nun also alle etwas sprachlos.

Sollte sich zufällig einer der hier Mitlesenden in der Situation wiederkennen: ich hätte da noch ein paar Fragen.

Wie unzufrieden muss man mit sich und der Welt sein, um wegen 15€ völlig zurecht anfallenden Zollgebühren ein derartiges Fass aufzumachen?

Kann man tatsächlich so gefangen in seiner „ich hab recht und du bist dumm“-Rolle sein, dass man nicht wahrnimmt, dass ein Zweijähriger unmittelbar neben einem steht und das vielleicht nicht der beste Zeitpunkt ist, seiner Rage freien Lauf zu lassen?

Warum benötigt man mehrjährige Ausbildungen, Hochschulstudien und ähnliches zur Ausübung eines Berufes wenn es doch auch Frühstücksfernsehen tut?

Durchlaufen Zollbeamte nicht eigentlich auch die gleiche Grundausbildung wie die Polizei mit Dienst an der Waffe und so?
Und wenn ja, kann man die Ausbildung wirklich erfolgreich abschließen, wenn man bei allen Deeskalationstrainingseinheiten gefehlt hat?

Wer hat sich ausgedacht, dass ein Aufkleber mit Beschreibung und Warenwert außen am Paket nicht ausreicht, um das Paket zu verzollen, ein Etsy-Screenshot am Handy aber wohl?

Fragen über Fragen.

Letztlich habe ich mein Kettchen doch noch bekommen, der Zwerg im Anschluss eine Portion Chicken Nuggets und ein Eis, somit endete der holprige Vormittag doch noch für beide zufriedenstellend.

Nur die Frau des Rentners, die tut mir aufrichtig leid, inzwischen verstehe ich nämlich auch ihren Blick und Gesichtsausdruck.

In diesem Sinne, habt eine stressfreies Silvester und kommt gut ins neue Jahr.

Wir lesen uns wohl erst 2018 wieder. Denn nicht nur Silvester steht vor der Tür sondern auch die Sale-A-Bration und der neue Frühlings-/Sommerkatalog.

Da möchte das Stempelzimmer noch ein klein wenig um- und ausgeräumt werden, damit der neuen Saison nichts im Wege steht.

Ich wünsche euch alles Gute, habt einen schönen Jahreswechsel und passt auf euch auf.

Bye

Nadine