Liebes Saarland und Rest vonne Welt,

diese kongeniale Überschrift habe ich meiner äußerst engagierten und geschätzten Downline Christine gemopst, die in Lebach eine unglaublich schöne Aktion mit selbigem Namen ins Leben gerufen hat. Seht hier.

Es ist mal wieder 3:30 Uhr und Frau T. liegt mit einem frisch geimpften Winzling über die Schulter im warmen, weichen Bett, überbrückt die Zeit, bis sie ihn wieder hinlegen kann, mit iPhone-Surfen, liest Horrormeldung über Horrormeldung und ist unendlich dankbar, dass sie das unfassbare Glück hatte, auf einem der wenigen Fleckchen Erde geboren zu sein, an dem sie sich frei bewegen kann, keine akuten Todesängste um Mann, Kind und Familie ausstehen muss und zudem noch frei sagen kann, was sie denkt, ohne vergewaltigt, verstümmelt oder erschossen zu werden.

Das geht derzeit viel zu vielen Menschen ganz anders und macht mich fassungslos. Wenn ich lese, wie Menschen, die gerade eben noch in genau der gleichen Situation wie ich waren, einen Job, Haus und Familie hatten, mit ihrem frisch geimpften Winzling über der Schulter im warmen, weichen Bett lagen als die ersten Granaten flogen, wird mir ganz anders. Von jetzt auf gleich mussten sie alles und ich meine wirklich ALLES hinter sich lassen und aus purem Überlebenswillen unfassbare Strapazen auf sich nehmen, um wieder an ein friedliches Fleckchen Erde zu kommen, das will mir nicht in den Kopf.

Nur um es nochmal zu verdeutlichen, wir reden hier von Menschen, die mit allem, was sie haben, oft genug selbst mit ihrem Leben, dafür bezahlen, zu Hunderten in überfüllten, seeuntauglichen Kähnen übers Meer zu kommen, um aus ihrer Heimat, dem Fleckchen Erde, auf dem sie geboren, aufgewachsen und ihr Leben aufgebaut haben, weg zu kommen, weil sie zu Hause nicht mehr sicher sind und keinerlei Lebensperspektive haben. Nein, das sind keine Kreuzfahrten mit all inclusive Buffet ins gelobte Land. Das sind Horrortrips mit blanker Todessangst. Wie verzweifelt muss man sein, um das auf sich zu nehmen?

Wenn ich lese, dass weinende Kinder, nicht wesentlich älter als der Knirps, der mir gerade über die Schulter hängt, von Schleppern der Mutter entrissen und ins Meer geworfen werden, nur weil der Kahn inklusive Schlepper möglicherweise ob des Weinens entdeckt werden könnte, gefriert mir das Blut in den Adern und schnürt mir die Kehle zu.

Wir liegen in unseren warmen, weichen Betten und keine 800 km entfernt ersticken Menschen in Kühllastern, werden auf überfüllten Booten  zerquetscht oder ertrinken im Mittelmeer. Und was lese ich auf Facebook? „warum kommt das Gesindel alle zu uns? Sollen sie doch nach Saudi-Arabien, ist viel näher und da ist deutlich mehr Geld“. Entschuldigt die Wortwahl, aber da krieg ich das kalte Kotzen.

Wollt ihr mit euren traumatisierten Frauen und Kinder aus dem heimatlichen Terrorregime in ein Land, das autofahrende Frauen mit Peitschenhieben züchtigt?

„Sollen sie doch in die umliegenden Länder“. Ist klar. Wie viele Menschen derzeit auf ihrem Weg in Nachbarländer kläglich in der Sahara verenden, möchte ich mir gar nicht vorstellen.

Alles, was diese Menschen möchten, ist ein kleines Stück heile Welt zurück. Und dann schaffen sie es nach unfassbaren Mühen, mit tausend Schutzengeln, lebend zu uns, und unseren grenzdebilden braunen Arschlöchern fällt nichts besseres ein, als zukünftige Unterkünfte in Brand zu setzen „um das Gesocks loszuwerden“. Ich bitte euch, wer ist denn da bitte das Gesocks?!

Es ist beschämend.

Ich kam vor knapp 20 Jahren als Ausländer in dieses Land mit dem zufälligen Glück Meyer statt Al-Sayed zu heißen und rote statt schwarze Haare zu haben. Mir hat bis heute niemand mein zukünftiges Bett unterm Hintern abgefackelt. Nun erklär mir mal einer, was der Unterschied zwischen mir und einer syrischen, afghanischen oder liberischen Frau ist, abgesehen davon, dass ich nicht um mein Leben fürchten musste beim Überqueren der Grenze? Auf beiden Pässen steht lediglich ein anderes Geburtsland als Deutschland. Nicht mehr, nicht weniger. Geld hatte ich als angehende Studentin auch keins im Gepäck. Und doch musste ich mich noch nie mit braunem Gesocks auseinander setzen und auf Feldbetten  in einer stinkenden Turnhalle schlafen und mir mit 500 anderen 10 Kinderklos und -duschen teilen.

Es ist erbärmlich.

Und das braune Gesindel liegt zu Hause im warmen weichen Bett und wirft sich eventuell den frisch geimpften Knirps über die Schulter.

Denn seien wir mal ehrlich, der aktuell kursierende Fremdenhass beschränkt sich längst nicht auf den kahlgeschorenen Böhse Onkelz und Dynamo Dresden Anhänger, sondern steckt auch in den Köpfen von 0815 Familienvätern und Müttern. Junge, hübsche Mädels posten völlig ungeniert neben den neuesten MakeUp Trends Kommentare über Gaskammern und Erschiessungskommandos in „sozialen“ Medien  und kassieren 50 Likes von ihren genau so hohlen Freunden. Was ist daran sozial? Mir macht diese polemische Dummheit Angst.

Zumal weder Staat noch Politik seit Jahren nicht mal jene offenen Anhänger, die auf jedem Foto, jedem Video und jedem Bericht über Krawall bierflaschenwerfend und verfassungswidrige Inhalte gröhlend   klar und deutlich zu erkennen sind und wegen x Delikten namentlich bekannt sind, aus dem Verkehr zieht. Wenn ein Land schon auf dem offensichtlichen braunen Auge derart blind ist, möchte ich mir nicht ausmalen, welche Lauffeuergefahr das nicht Offensichtliche in sich birgt.

Und da wären wir wieder bei „braun steht nur Kuchen gut“.

Ich für meinen Teil bin sehr dankbar, dass sich mehr und mehr Widerstand in der Öffentlichkeit regt und sich inzwischen auch die Schweigers, Jokos und Klaases dieser Republik medienwirksam für Flüchtlinge und die Bekämpfung des braunen Gedankenguts einsetzen, denn wenn Bildung, Erziehung und Politik es schon nicht schaffen, durchzudringen, vielleicht schaffen es ja RTL2 und Pro7. Die Reichweite dürfte traurigerweise eine größere sein.

Und allen Bodo Koslowskis, Rico Czerwinskis, Sina Rosenfelds und wie sich das hetzerische Facebook etc.-Pack sonst noch  nennt, sei gesagt, die Wahrscheinlichkeit, dass ihr nur aus dem Grund da lebt, wo ihr lebt, weil euern Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern nicht die Hütten unterm Hintern abgefackelt wurden, ist nicht ganz so klein!

In diesem Sinne verabschiede ich mich für heute. Es ist jetzt 5:33 Uhr und ich bin müde, sehr, sehr müde.

#refugeeswelcome #bloggerfuerfluechtlinge

Bye

Nadine