Liebes Saarland und Rest vonne Welt,

als Mutter von Welt, habe ich mir sagen lassen, gehört es sich, das Kind nach Möglichkeit zu bespaßen frühkindlich zu fördnern. Pekip, Massage, Babyschwimmen und haste nicht gesehen sind nicht etwa optional sondern Pflichtveranstaltungen für die Mutter, die was auf sich hält. Das Kind könnte ja sonst 20 Jahre später beim Einstellungsgespräch gestehen müssen, dass es nicht schon mit 8 Wochen Rolle rückwärts mit vierfach Flickflack konnte und das einzig und allein, weil seine Rabeneltern die frühkindliche Förderung vernachlässigt haben.

Ich persönlich bin ja der Meinung, dass es bei diesen Kursen nicht ums Kind geht, sondern sie überwiegend eine Beschäftigungstherapie für Mütter sind, die bis dato jobmäßig gut beieinander waren und den Haushalt von der Putzfrau und das Kind von den Großeltern gewuppt bekommen und somit zu viel Zeit haben.

Frau T. hat leider beides nicht und zudem ein Kind, das schlaftechnisch gesehen sagen wir mal etwas eigenwillig ist und der Tag somit seine ganz eigene Struktur hat. Nichtsdestotrotz ist es das erste mal seit sie 16 ist, dass sie nicht zum Arbeiten aus dem Haus muss darf und somit nach inzwischen 4 Monaten Hausfrauen- und Mutterdasein dem Lagerkoller verdammt nah ist. Also dachte sie sich, „melde ich uns doch mal zu so nem Babymassagekurs an. Kannste ja nix falsch machen…“!

Mittwoch, 14:30 Uhr. Mini T. ist total friedlich, möchte eigentlich Mittagsschläfchen halten, aber Mutter hat ja Termine. Also Kind ins Auto, ab zur Hebammenpraxis, das Kind soll ja zur Tiefenentspannung geknetet werden.

14:45 Uhr. Mini-T. findet die Autoschale ziemlich blöd und läge viel lieber im Bett.

14:55 Uhr. Lautstarke Bässe tönen aus dem Massageraum, wo gerade noch nach Kräften geturnt wird. Frau T. nimmt mit dem verdutzt schauenden und Äuglein reibendem Mini-T. Platz und wartet geduldig bis der Rückbildungskurs zu Ende ist. Mini-T. gähnt, die Augen fallen zu.

15:02 Uhr. Die Tür ist auf, es wird fleißig umgeräumt und die Massagemuttis dürfen rein. Die Luft ist so, wie Luft eben so ist nachdem 20 Frauen auf zu engem Raum zu viel geschwitzt haben und mindestens 10 der 20 mitgebrachten Babys dringend einer Unterbodengrundsanierung bedürfen. Alles wuselt hektisch rum, Mini-T. schreit.

Das Kind tröstend sucht sich Frau T. ein Plätzchen auf den kreisförmig ausgebreiteten Isomatten. Die Praktikantin verteilt fleißig Wickelunterlagen und zu den bereits 4 anwesenden Rückbildungsmuttis gesellen sich noch weitere 7 mit ihren Winzlingen hinzu.

3 von 12 schreien. Mini-T. schluchzt leise.

Die Hebamme begrüßt die Runde, schließt alle Fenster, 90 Sekunden lüften müssen reichen nach 60 min. Rückbildung, die Kinder dürfen ja nicht frieren.

Frau T. zum ersten Mal in so nem Kurs schaut sich gespannt um, horcht den Erklärungen der Hebamme und erfährt, dass es sich bei der heutigen Technik um die „Sandmännchen-Massage“ handelt und unsere „Goldstücke danach schlafen wie die Engel“. 5 von 12 plärren, immerhin keins davon das Mini-T., das kuckt mit roten Augen latent apathisch Löcher in die Luft.

Wenige Augenblicke später liegen 12 splitterfasernackte Säuglinge mehr oder minder entspannt auf Isomatten, Handtüchern und Wickelunterlagen, davor knien elf hochmotivierte Muttis und eine, deren Knochen vom auf dem Fußboden Sitzen jetzt schon weh tun. Frau T. ist letztere.

Während die Hebamme warmes Öl in der Runde verteilt, quiekt es auf zwei Uhr und die Praktikantin stürzt zum Desinfektionsspray. Baby 1 hat gepieselt. Baby 2 folgt sogleich auf sieben Uhr. 4 von 12 plärren.

Mit sanfter Stimme und leiser Hintergrundmusik erklärt die Hebamme zwischen dem Geplärr anhand einer Puppe die Massagegriffe und betont immer wieder, wie wichtig es sei, den Blickkontakt zum Kind zu halten, „das stärke die emotionale Bindung“. Ich kucke also dem vor mir liegenden nackigen Etwas gebannt ins Gesicht, das Etwas wiederum dreht demonstrativ den Kopf zur Seite und starrt fortan alternativ Puppe oder Hebamme an. Ich könnte ihm egaler nicht sein. 4 von 12 plärren.

15 Minuten später, Mini-T. hat mir inzwischen nicht einmal, nicht zweimal, nein drei mal auf die Hand gepieselt. Das Desinfektionsspray hat genau wie die Großpackung Wickelunterlagen zwischen mir und meiner Nachbarin seinen festen Platz eingenommen, deren Tochter setzt nämlich gerade zum zweiten Mal Drücken an.

Nach Brust, Bäuchlein und vollem Körpereinsatz, um die sich windenden, glitschigen Winzlinge auf der Matte zu halten, stehen jetzt die Beinchen auf dem Plan, denn „das lieben die Babys total!! Ihr werdet sehen, das ist so toll“.

Nochmal ordentlich Öl in die Handflächen und auf geht’s. Während das Mini-T. immer noch völlig teilnahmslos die Hebamme samt Puppe anstiert und meine Nachbarin ihre hampelnde Tochter auf der Unterlage fest tackern möchte, greife ich behutsam nach Mini-T.s winzigem Oberschenkel. Kaum hat meine Hand sich drum rum gelegt, verzieht sich der Mund zum Schippchen und das kleine nackte glitschige Etwas setzt zum Schreien an als würde es abgestochen.

Inzwischen plärren 5 von 12. Aber nur eins derart, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Welches wohl zu mir gehört?

„Du kannst ihn ruhig hochnehmen zum Beruhigen“ vernehme ich die Stimme der Hebamme. Ja nee ist klar. Frau T., nach 20 Minuten auf dem Boden kniend so beweglich wie 6 Meter Bahnschienen, versucht also diese nackte, ölige, ums Leben schreiende, entsicherte Strullerschnellfeuerwaffe hochzunehmen, dabei mit zwei eingeschlafenen Beinen und öligen Händen vom Boden hochzukommen, das alles ohne sich, das Kind oder die umliegenden Muttis in ernsthafte Gefahr zu bringen und sich außerdem so abzuwenden, dass nicht noch neu gestrichen werden muss falls zum Strullern auch noch…halleluja….ich möchte gar nicht dran denken! Also doch lieber erst mal Pampers drum rum und dann aufstehen. Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, jemals versucht, mit öligen Händen, ein schreiendes, sich strack machendes, wegflitschendes Kind zu wickeln? Nein? Seien Sie versichert, es ist schlichtweg nicht machbar.

Einziger Trost: auf 12 Uhr bahnt sich ein identisches Szenario an.

Minuten später: 5 von 12 weinen, 2 weitere werden wimmernd und schluchzend im Fliegergriff durch den Raum getragen. Einer davon Mini-T. inzwischen immerhin sogar angezogen und gesichert.

15:57 Uhr. Die Sandmännchen-Massage nähert sich dem Ende.

3 lächeln, 2 werden rumgetragen, 7 weinen, null schlafen.

16 Uhr. Frau T. sitzt schweißgebadet. mit zuckendem Augenlid im Auto. Auf der Rücksitzbank findet Mini-T. die Autoschale immer noch ziemlich doof und läge viel lieber in seinem Bett. Nee, wat simmer jetzt entspannt.

Zu Hause angekommen ist die erste Amtshandlung, die Gute Nacht Lektüre wegzuräumen, denn man mag es kaum glauben, im Hause T. hat vorerst mal mindestens 1 von 3 die Nase von Sandmännchen gestrichen voll.

17:00 Uhr. Mini-T. ist gänzlich ohne Sandmännchen an der Brust eingeschlafen, genau so wie es das um 14:30 Uhr auch schon getan hätte, hätte man es nur gelassen.

Wie gut, dass wir auch schon zum Babyschwimmen angemeldet sind….! Ich seh mich jetzt schon augenzuckend in der Ecke mit der Poolnudel kuscheln.

Bye

Nadine